Blutegel gehören zur Familie der
Ringelwürmer – wie unser heimischer Regenwurm. Sie leben in sauberem,
kalkarmen Süßwasser. In Deutschland sind die Blutegel aufgrund des enormen
Verbrauchs im 19. Jahrhundert und der zunehmenden Gewässerverschmutzung fast
ausgerottet. Sie stehen heute unter Artenschutz.
Die Blutegeltherapie ist ein sehr altes
Verfahren. Es gibt Hinweise, dass schon in der Steinzeit Menschen auf diese
Weise behandelt wurden. Der Nachweis für ihre Verwendung ist bereits in den
Keilschriften der Babylonier und in archäologischem Gut aus der 18. Dynastie
(1567 – 1308 v.Chr.) in Ägypten zu finden.
In der europäischen Literatur ist der
therapeutischen Einsatz von Blutegeln ca. 200 – 300 v.Chr das erste Mal
erwähnt. Die Blutegeltherapie wurde in den folgenden Jahrhunderten eine
allgemein anerkannte und vielseitig genutzte Heilmethode. Sie gehörte zum
volksmedizinischen Gut. Viele berühmte Ärzte waren Anhänger dieses
Verfahrens.
Die
Blutegeltherapie - immerhin über 3000 Jahre hindurch erfolgreich angewendet
- wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend aus der
wissenschaftlichen Medizin verdrängt und nur noch in der Volksmedizin und
Naturheilkunde eingesetzt. Durch Berichte über Therapieerfolge mit Blutegeln
bei verschiedenen Erkrankungen in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts
kam es zu einem Wiederaufleben dieses uralten Heilverfahrens.
Nach dem zweiten Weltkrieg war es zunächst
ruhig um die Blutegeltherapie. Erst durch Erfolge im Bereich der
Transplantationsmedizin in den 60er Jahren hielt die Blutegeltherapie ihren
Einzug in die Schulmedizin. Dennoch beruht auch heute noch das Wissen um die
Anwendungsgebiete vorwiegend auf den individuellen Erfahrungen vieler
Blutegeltherapeuten.
Die Wirkung der Blutegel wird nicht durch
den Blutverlust verursacht, sondern vor allem durch die Substanzen in dem
Sekret, das die Blutegel in die Bissstellen abgeben. Dieses Sekret enthält
verschiedene Stoffe, die bis heute nur zum Teil isoliert und analysiert
werden konnten. Am bekanntesten ist das Hirudin mit seiner lokalen
gerinnungshemmenden und entzündungshemmenden Wirkung. Daneben sind noch
Egline (entzündungshemmend), Bdelline (Enzyminhibitoren), Hyaluronidase
(gefäßerweiternd), Destabilase (Auflösung von Thromben), Calin (gerinnunghemmend),
Prostaglandine, Kollagenasen und vieles mehr in dem Sekret enthalten.
Durch diese Erkenntnisse kann ein Teil der
Wirkungsweisen der Blutegeltherapie erklärt werden. Jedoch für viele
Anwendungsgebiete bestehen allenfalls Erklärungsmodelle. Von einer
schlüssigen Wirktheorie ist die Forschung in diesen Fällen noch weit
entfernt.
Folgende Anwendungsgebiete sind in
der Erfahrungsheilkunde bekannt:
Weitere Erkrankungen:
Migräne, Dysmenorrhoe, Wadenkrämpfe, Tinnitus, Schwindel, Panaritien,
Furunkel, Abszesse
Bevor eine Blutegelbehandlung durchgeführt
wird, müssen bestimmte Kontraindikationen (Gegenanzeigen) beachtet werden.
Bei folgenden Krankheiten und Zuständen darf eine Blutegeltherapie nicht
oder nur eingeschränkt durchgeführt werden:
Blutgerinnungsstörungen, Immunschwäche
bzw. Therapie mit Immunsuppressiva, krankhaft veränderte oder schlecht
durchblutete Haut, Anämie, Allergie gegen das Blutegelsekret, Therapie mit
quecksilberhaltigen Präparaten (betrifft heute nur die Wundversorgung mit
Mercuchrom®), Neigung zur Kelloidbildung, Schwangerschaft.
Die Behandlung sollte durch einen in der
Blutegeltherapie erfahrenen oder gut geschulten Therapeuten durchgeführt
werden. Dieser muss zum einen bestehenden Kontraindikationen erfassen, zum
anderen kann er mögliche auftretende Nebenwirkungen adäquat einschätzen und
therapieren.
Mögliche Nebenwirkungen, die nach
einer Blutegeltherapie auftreten können, sind:
Lokalreaktion, Kreislaufreaktionen,
Narbenbildung, Entstehung von Hämatomen, Lymphknotenschwellungen evtl. mit
Fieber, übermäßige oder zu lange anhaltende Nachblutung, allergische
Reaktionen, Wundheilungsstörungen, Wundinfektionen.
In der Literatur werden einige wenige
Fälle von Infektionen beschrieben. Diese wurden durch ein Darmbakterium des
Blutegels verursacht. Die Infektionen entstanden nur bei Patienten mit
offenen Wunden, Durchblutungsstörungen im Bereich der Bissstellen oder einer
Immunsuppression. Aus diesem Grund ist die Beachtung der Gegenanzeigen und
die Durchführung der Therapie durch einen erfahrenen Therapeuten obligat.
Eine mögliche Art der Infektion ist die
sekundäre Wundinfektion durch Reiben von Kleidungsstücken auf den Wunden
oder Kratzen durch die Patienten. Aus diesem Grund ist eine ausführliche
Aufklärung des Patienten über die Verhaltensmaßnahmen nach der
Blutegelbehandlung zwingend notwendig. Dann können solche Infektionen
vermieden werden.
Die immer wieder geäußerten Befürchtungen
einer Übertragung von gefährlichen Krankheitserregern konnte bis heute in
keiner Beziehung nachgewiesen werden.