Wenn Vergangenes uns nicht loslässt –
Traumatherapie mit EMDR zur Auflösung
der Folgen von psychischen Traumatisierungen
Was bedeutet ein Trauma?
Die menschliche Psyche hat
die Aufgabe, uns vor seelischer Überforderung in und nach Extrembelastungen
zu schützen.
Solche erlebten
seelischen Extrembelastungen können sein: Misshandlungen und andere
Gewalterlebnisse, emotionaler oder sexueller Missbrauch, Überfälle,
Vergewaltigung, schwere persönliche Verluste oder eine lebensbedrohliche
Diagnose.
Verschiedene
Schutzmechanismen führen dazu, dass wir nicht nur die Situationen selber
psychisch überleben, sondern dass wir auch danach weiter funktionieren
können.
In vielen traumatisierenden Situationen muss
unser Gehirn in sehr kurzer Zeit sehr viele unterschiedliche und stark
angstbesetzte Eindrücke aufnehmen. Da unsere Verarbeitungskapazität begrenzt
ist, kann vieles dabei nur aufgenommen, aber nicht verarbeitet, d.h.
bewertet, sortiert und in die sonstigen Erfahrungsbereiche integriert
werden. Zusätzlich ist die Bedeutung dieser Eindrücke, Bilder und Handlungen
für uns viel zu schlimm, als dass wir sie im Moment des Geschehens begreifen
dürften.
Für diese Informationen
steht deshalb ein „spezieller Speicher“, das so genannte intrinsische
Gedächtnis („Traumagedächtnis) zur Verfügung, das von unserem
„Alltagsgedächtnis“, dem extrinsischen Gedächtnis sehr verschieden
funktioniert. So können wir uns an Inhalte, die im „Traumagedächtnis“
gespeichert sind, beispielsweise nicht gewollt erinnern, sondern bestimmte
Auslöser (Gerüche, Bilder, Töne usw.), die denen während der Extrembelastung
ähneln, rufen in uns die Eindrücke von damals wieder wach. Diese fühlen sich
dann sehr gegenwärtig an, da unser Gehirn nichts davon weiß, dass die Gefahr
bereits vorüber ist. Vertrauen und der Glaube an die eigene Kontrolle bzgl.
der eigenen Person und der Welt sind beeinträchtigt. Außerdem werden alle
Reize im „Traumagedächtnis“ nicht als zusammenhängende Geschichte, sondern
als Sammlung einzelner, unverbundener Sinneswahrnehmungen (Gesehenes,
Gefühltes, Getanes, Gehörtes, Gerochenes) gespeichert.
Diese Art der Speicherung
ist zunächst ein sehr sinnvoller Schutzmechanismus, kann aber nach
einiger Zeit, wenn die Verarbeitung nicht nachgeholt wird, zu vielfältigen
Beeinträchtigungen führen: Ängste, Vermeiden ähnlicher Situationen,
unkontrolliertes Wiedererinnern in Verbindung mit starken negativen
Gefühlen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen,
Aggressionen, Depressionen u.a. können auftreten.
Im Vollbild kann sich eine
Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) entwickeln, die viele
Lebensbereiche der Betroffenen verändern kann.
Was kann eine
Traumatherapie bewirken?
Ziel einer Traumatherapie
ist es,
die im „Traumagedächnis“ gespeicherten Eindrücke in einem sicheren Rahmen
kontrolliert wiedererinnerbar zu machen, um so eine neue, funktionale
Abspeicherung im „Alltagsgedächtnis“ zu erreichen. Dadurch verschwinden die
belastenden Symptome. Die Erinnerungen sind jetzt bewußtseinfähig, können
versprachlicht und in das bisherige Erfahrungswissen integriert werden.
Um das zu erreichen,
braucht es zwei Dinge:
1.Eine ausreichende Nähe zu
den belastenden Erinnerungen.
Verarbeitung ist nur
möglich, wenn wir die Erinnerungen in der Gegenwart auf gefühlsmäßiger und
körperlicher Ebene spürbar werden lassen können (aktualisieren können).
2.Eine ausreichende Distanz
zu den belastenden Erinnerungen.
Verarbeitung ist ebenfalls
nur möglich, wenn wir uns in der Gegenwart sicher genug fühlen, damit wir
von den Eindrücken, die wieder wach werden nicht genauso überflutet werden
wie damals. Es geht darum, jetzt in der Gegenwart die Kontrolle zu behalten,
die damals verloren gegangen ist.
Für ein ausgewogenes
Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz zu den Erinnerungen zu sorgen, das
ist die Aufgabe der TraumatherapeutIn.
Was ist das Besondere an
EMDR?
EMDR ist eine neue,
effektive Methode zur Traumabearbeitung.
EMDR steht dabei für „eye movement
desensitization and reprocessing“, was auf die Anfangserfahrung der
„Begründerin“ von EMDR, Francine Shapiro, zurückzuführen ist. Francine
Shapiro bemerkte zufällig während eines Spazierganges, daß ihre eigenen
belastenden Gedanken sich veränderten und auflösten, wenn sie gleichzeitig
mit der Erinnerung ihre Augen von rechts nach links bewegte. Nach
entsprechender Überprüfung und Strukturierung entstand daraus EMDR.
Heute weiß man, dass jede bifokale
Rechts-Links-Stimulierung während der Erinnerung belastender Erlebnisse zu
einer beschleunigten Verarbeitung belastender Erinnerungen führt. Zahlreiche
Studien belegen die Wirksamkeit dieser Methode bei Posttraumatischen
Belastungsstörungen und Ängsten, auch wenn über die zugrunde liegenden
Wirkmechanismen noch viele Fragen offen sind und nur zahlreiche Hypothesen
bestehen.
Was erwartet die KlientIn
konkret?
Die gedankliche
Konfrontation mit den belastenden Erinnerungen ist eingebettet in einen
umfassenden Therapieprozess, der ein Kennenlernen und das Schaffen einer
gemeinsamen Vertrauensbasis ebenso umfasst, wie das Erlernen verschiedener
Entspannungs- und Schutzübungen. Die KlientIn wird darin angeleitet, ein
Mindestmaß an eigener emotionaler Stabilität aufrechtzuerhalten, bei
Bedarf Hilfe zu holen und so für sich zu sorgen. Erst nach einer
ausreichenden Stabilisierung kommt die Phase der Neuverarbeitung, die
den eigentlichen EMDR-Prozeß ausmacht.
Die eigentliche
EMDR-Sitzung beginnt mit einer momentan belastenden Ausgangssituation.
Das kann ein Bild, ein Gefühl, ein Geruch oder dergleichen sein. Gemeinsam
mit der Therapeutin konkretisiert die KlientIn diese Erinnerung bzgl. ihrer
gegenwärtigen Auswirkung auf das Fühlen und Denken.
Während der anschließenden
Stimulierung durch die TherapeutIn, die durch Augenbewegungen oder
Rechts-Links-Berührungen erfolgen kann, begibt sich die KlientIn in die
Rolle einer BeobachterIn, die registriert, welche Gedanken, Gefühle
oder Körperempfindungen von innen auftauchen und wie der Prozeß abläuft.
Alles was auftaucht hat einen Sinn und bekommt seinen Platz. Unsere inneren
Selbstheilungskräfte können so wirksam werden und führen uns auf dem Weg der
heilenden Auflösung erstarrter Erinnerungen. Die KlientIn kann den Prozess
jederzeit stoppen, wenn ihr etwas zuviel werden sollte.
Am Ende einer jeden
Sitzung steht die Wiederherstellung oder Festigung des emotionalen
Gleichgewichtes, damit die KlientIn sicher wieder in den Alltag gehen
kann.
Es sind oftmals kleine
Wunder, die durch diesen Bearbeitungsprozess ausgelöst werden: Längst
verschüttete Erinnerungen tauchen wieder auf, von innen kommende Lösungswege
werden deutlich, die gleichzeitig vom Gefühl her auch begehbar erscheinen,
emotionales Mitfühlen mit eigenen früheren Anteilen oder anderen Personen
ermöglicht ein Loslassen von alten Bindungen.